Gewalt erkennbar entgegentreten

Fachinformation - geschrieben am 16.05.2023 - 17:54
Eine Hand hält gewaltsam einen Arm fest

In Baden­-Württemberg leben 957.415 schwerbehinderte Menschen, 467.115 davon sind weiblich. Repräsentative Erhebungen zeigen: Mädchen und Frauen mit Behinderung sind einem äußerst hohen Risiko ausgesetzt, Opfer von Gewalt und Missbrauch zu werden, vielfach mehr als jene ohne Behinderung. Ihre Gewalterfahrungen sind immer noch Tabuthema, zu wenig im Blick der Gesellschaft. Dem müssen wir erkennbar entgegentreten. Es ist wesentlich, auf den Lebensalltag behinderter Frauen und diese Tatsachen hinzuweisen, die Folgen klar zu benennen, Stellschrauben zu nutzen, um Verbesserungen zu erreichen.

Erleben wird nicht ernst genommen

In meinen Gesprächen treffe ich Frauen, die Gewalterfahrung in ihren unterschiedlichen Auswirkungen und Konstellationen thematisieren. Es berührt, empört, schmerzt. Wütend macht mich, wenn Hinschauen und Handeln unterbleibt oder behinderte Mädchen und Frauen mit ihrem Erleben nicht ernst genommen werden. Es motiviert mich, noch mehr den Konsequenzen zu begegnen, die sich aus dem Zusammentreffen der Eigenschaften von Geschlecht und Behinderung ergeben. Neben der Prävention ist der ernsthafte und aufrichtige Umgang das A und O. Dies muss im Interesse aller sein.

Wenn Kinder und Frauen sich in exklusiven Strukturen bewegen, finden sie nicht immer gewaltfreie Bedingungen vor. Auch wenn die Angebote der Eingliederungshilfe ein sicheres Lebens- und Arbeitsumfeld bieten müssen, zeigen Studien, dass die Realität oft anders aussieht. Menschen, die diese Einrichtungen nutzen, empfinden ihr Leben häufig als fremdbestimmt. Dies geht bis zum Erleben unterschiedlicher Formen von struktureller und individueller Gewalt.

Gewaltschutzkonzepte müssen umgesetzt werden

§ 37a SGB IX fordert die Leistungserbringer auf, Maßnahmen zum Gewaltschutz zu treffen. Reha-Träger und Integrationsämter sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass Gewaltschutzkonzepte umgesetzt werden. Einheitliche Standards, Partizipation durch Selbstvertretung, Kooperation und Aufarbeitung sind zentral für eine gewaltfreie Einrichtungskultur. Im baden-württembergischen Landesrahmenvertrag gemäß § 131 Abs. 1 SGB IX wurde der Gewaltschutz aufgegriffen. Ich setze mich dafür ein, dass wir dies mit der Vertragskommission SGB IX und Kooperationspartnern konkret anpacken.

Derzeit wird der Landes-Aktionsplan UN-BRK in einem breit angelegten Beteiligungsprozess fortgeschrieben. Ich habe darauf hingewirkt, dass als eines der sechs Handlungsfelder explizit das Handlungsfeld „Stärkung und Sicherheit von Kindern und Frauen“ aufgenommen wird. Hier werden konkrete Vorhaben überprüft und erarbeitet, die auf Verbesserungen im Alltag behinderter Mädchen und Frauen abzielen. Klar und deutlich werden dort Herausforderungen, Konsequenzen und Forderungen formuliert.

Wir müssen uns in Baden-Württemberg dem Thema Gewaltschutz nachdrücklich widmen. Das Beste zur Prävention und Sicherheit der Menschen muss erarbeitet und geregelt, vor allem aber auch umgesetzt und gelebt werden.

Interessierte Leser*innen können den Prozess zur Fortschreibung des Landesaktionsplans zur UN-­Behindertenrechtskonvention in Baden­-Würt­temberg auf dem Beteiligungsportal nachverfolgen, insbesondere auch bezüglich Diskriminierung und Gewalterfahrungen von Mädchen und Frauen.Weiterführende Informationen: www.baden-wuerttemberg.de

 

Simone Fischer

Landes-Behindertenbeauftragte 

www.behindertenbeauftragte-bw.de

 
Beitrag aus ParitätInform 2/2023

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