Geschlechtsspezifische Gewalt uneingeschränkt als Schutzgrund anerkennen

Pressemitteilung - geschrieben am 02.03.2023 - 10:48

Stuttgart 02.03.2023   Laut Schätzungen von Terre des Femmes Menschenrechte für die Frau e.V. lebten im Jahr 2020 in Deutschland rund 75.000 Frauen, die Opfer von weiblicher Genitalverstümmelung und Beschneidung (FGM/C) geworden sind sowie darüber hinaus ca. 20.000 gefährdete Mädchen unter 18 Jahren. In Baden-Württemberg geht man von ca. 8.300 betroffenen Frauen sowie ca. 1.800 gefährdeten Mädchen aus. Unter den Betroffenen sind auch Geflüchtete aus Syrien, Somalia, Nigeria, Eritrea oder Afghanistan, die aus diesen Gründen ihr Land verlassen haben. Leider werden geschlechtsspezifische Asylgründe bei uns nur selten anerkannt. Deshalb fordern der Paritätische Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg und Sompon Socialservices Baden-Württemberg e.V., dass geschlechtsspezifische Gewalt als Schutzgrund für alle betroffenen Frauen und gefährdeten Mädchen anerkannt und während des Asylverfahrens und beim Aufenthaltsstatus berücksichtigt werden. Darüber hinaus sind zusätzliche spezialisierte Angebote erforderlich.

„Weibliche Genitalverstümmelung und Beschneidung ist eine Menschenrechtsverletzung. Seit 2013 ist sie in Deutschland als eigener Straftatbestand (§ 226 a StGB) eingestuft und kann mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden. Trotzdem ist der Anteil der Frauen und Mädchen, die aufgrund geschlechtsspezifischer Gründe Flüchtlingsschutz erhalten, gering. Die betroffenen Frauen und Mädchen scheitern in ihren Asylverfahren häufig bereits daran, dass sie geschlechtsspezifische Verfolgung nicht als Fluchtursache benennen. Gründe dafür sind Scham, Verunsicherung, Aufregung, aber auch Unwissenheit darüber, dass geschlechtsspezifische Gewalt als Schutzgrund anerkannt werden kann. In den meisten Fällen jedoch, wird nur eine drohende Genitalverstümmelung als Asylgrund anerkannt und nicht eine bereits erlittene. Insgesamt mangelt es an speziellen Beratungsangeboten und Anlaufstellen“, erklärt Feray Şahin, Bereichsleitung Familie, Kinder und Migration beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg. Mit der neuen landesweiten Anlaufstelle für von Genitalverstümmelung und Beschneidung bedrohten und betroffenen Frauen und Mädchen in Baden-Württemberg von Sompon Socialservices werde diese Lücke geschlossen. Das Beratungsangebot umfasse sämtliche Fragestellungen, die für von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffene Frauen und gefährdete Mädchen wichtig sei. Zudem unterstütze die Beratungsstelle den interkulturellen Dialog und stärke durch den kultursensiblen Ansatz das Vertrauen von Betroffenen, so Şahin. Darüber hinaus müssten geschlechtsspezifische Verfolgung im Asylverfahren künftig stärker berücksichtigt werden und mit weniger bürokratischen Hürden verbunden sein.

Um weibliche Genitalverstümmelung und Beschneidung zu überwinden, brauchen wir die Betroffenen, die Menschen, die in den Communities Einfluss haben wie Pastor*innen und Imame, aber auch Männer, die ihr Wissen nutzen, um in den Communities ein größeres Bewusstsein für das Übel dieser Praxis zu schaffen und einen kulturell sensibleren Ansatz in der Beratung und Betreuung zu entwickeln, um die Betroffenen zu unterstützen. Zudem können Sozialarbeiter*innen mit einem ähnlichen sozialen und kulturellen Hintergrund wie die Betroffenen, eine neue Dimension und Perspektive in den Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung und Beschneidung einbringen“, sagt Vera Sompon, Geschäftsleitung von Sompon Socialservices Baden-Württemberg e.V. in Göppingen.

Pressekontakt: Sompon Socialservices Baden-Württemberg e.V., Vera Sompon, Geschäftsleitung, Tel. 0711/3005269, E-Mail: info@sompon-socialservice.org, www.sompon-socialservices-bw.org. Sompon Socialservices Baden-Württemberg e.V. ist Mitglied im Paritätischen Baden-Württemberg.

 

 

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