Bürgerschaftliches Engagement in der Krise?

Fachinformation - geschrieben am 22.02.2024 - 08:36

Der Einsatz für das Gemeinwohl ist unverzichtbar, aber eben nicht selbstverständlich

Vielen Erschwernissen und Zumutungen zum Trotz:

Gerade in Zeiten gesamtgesellschaftlicher Krisen entfaltet das Bürgerschaftliche Engagement (BE) enorme Kraft. Beleg dafür waren und sind das hohe Maß an freiwilligem Einsatz während der Pandemie und in Zeiten hoher Flüchtlingszahlen.

 

Gleichzeitig zeigt sich in Krisenzeiten eine beachtliche Anpassungsfähigkeit und Flexibilität der Engagierten. So geschehen während der Pandemie – erforderlich aufgrund von Hygienekonzepten und Kontaktbeschränkungen. Mit bemerkenswertem Ideen- und Erfindungsreichtum meisterten viele Organisationen diese veränderten Ansprüche. In Windeseile wurden beispielsweise digitale Formate entwickelt, die seitdem als Bereicherung der täglichen Arbeit konstatiert werden können. Wegfallende selbsterwirtschaftete Einnahmen durch ausbleibende Veranstaltungen oder Verkäufe wurden meist durch Anpassungen auf der Ausgabenseite kompensiert, sofern sie nicht durch Hilfsprogramme oder Spenden aufgefangen werden konnten.

Bürgerschaftliches Engagement erweist sich also als gleichzeitig stabil und dynamisch. Die unentgeltliche Arbeit zum Wohle der Gesellschaft ist zweifellos unersetzlich. So macht sich Bürgerschaftliches Engagement nicht zuletzt bei der Förderung der Demokratie – dem wohl wertvollsten Gut unserer Gesellschaft – verdient. In Vereinen und Organisationen wird ein gutes Miteinander schließlich tagtäglich erlernt, vermittelt und gelebt.

Aus der Stärke in Krisenzeiten jedoch zu schließen, Bürgerschaftliches Engagement sei gleichzeitig vollkommen krisenfest, wäre zu kurz gesprungen. Der Einsatz für das Gemeinwohl ist unverzichtbar, aber eben nicht selbstverständlich.

 

Landesnetzwerk BE und Engagementstrategie

Das Land Baden-Württemberg stellt für Bürgerschaftliches Engagement daher weiterhin bestmögliche Rahmenbedingungen zur Verfügung.

Insbesondere indem es das Landesnetzwerk BE stärkt. Denn häufig helfen bestehende Strukturen, um voneinander zu lernen oder um auf Bestehendes aufzubauen. So konnte zum Beispiel bei der Hilfe für Geflüchtete aus der Ukraine auf Netzwerke zurückgegriffen werden, die sich angesichts des hohen Flüchtlingsaufkommen ab dem Jahr 2015 gefunden und bewährt hatten. Da Engagement fast immer vor Ort stattfindet, haben die Kommunen zentrale Bedeutung. Viele Bundesländer blicken anerkennend auf die enge Zusammenarbeit zwischen dem Land Baden-Württemberg und den Kommunen. Innerhalb des Landesnetzwerks bildet die Kooperation zwischen dem Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration mit den Kommunalen Landesverbänden eine elementare Säule.

Gültigkeit behält auch die Engagementstrategie des Landes. Sie wurde vor mehr als einem Jahrzehnt aus dem Landesnetzwerk entwickelt und bildet nach wie vor ein solides Fundament der Engagementpolitik des Landes. Das Land hilft Organisationen sowohl mit dauerhaften Maßnahmen wie dem Förderprogramm „Gemeinsam engagiert in BW“ als auch mit Notfallprogrammen wie während der Corona-Pandemie.

 

Anerkennung und Wertschätzung sind wichtig 

Abermals an Bedeutung gewinnt die Anerkennungskultur. Seit mehr als zehn Jahren gibt es den Engagementnachweis. Dieser dokumentiert und würdigt das Engagement in Baden-Württemberg.

 

Unter www.engagementnachweis-bw.de können ehrenamtlich und bürgerschaftlich Engagierte ihre fachlichen und sozialen Kompetenzen sowie ihre erworbenen Fähigkeiten im Ehrenamt individuell dokumentieren und bescheinigen lassen. Seit August dieses Jahres können zudem in vier Modellregionen landesweit gültige Ehrenamtskarten – als besondere Form einer Bonuskarte –beantragt werden.

 

Wer in den zurückliegenden zwölf Monaten in besonders hohem Umfang im Landkreis Calw, im Ostalbkreis oder in den Städten Freiburg oder Ulm bürgerschaftlich engagiert war, ist antragsberechtigt. Den Kommunen und dem Land ist es gelungen, sehr attraktive Einrichtungen zu gewinnen, die Inhaberinnen und Inhabern der Karte Ermäßigungen gewähren. Es existieren inzwischen mehr als 100 Akzeptanz- stellen bei den Kommunen und fast 80 beim Land. Bis Ende November wurden bereits fünfeinhalbtausend Karten ausgegeben. Der Modellversuch wird noch bis Ende Juni 2024 laufen. Alle Projektbeteiligten versuchen, die Erfahrungen und Erkenntnisse aus den dann zwölf Monaten parallel zu evaluieren und Erkenntnisse für eine mögliche landesweite Einführung zu gewinnen.

Engagementnachweis und Ehrenamtskarte sind Zeichen der Wertschätzung und Anerkennung. Sie sind per se kein Instrument für die Gewinnung neuer Engagierter. Sie können aber im Gleichklang mit anderen Maßnahmen insgesamt zu einer Stärkung des Bürgerschaftlichen Engagements vor Ort führen.

Immer wiederkehrend wird der Wunsch nach Bürokratieabbau geäußert. Eine Forderung, die nicht ungehört bleibt, jedoch niemals vollumfänglich umgesetzt werden kann. Fördern Kommunen, Länder und Bund beispielsweise Engagementprojekte, ist manche Formalie unverzichtbar. Schließlich sind es Steuergelder, über deren Verwendung nicht freihändig entschieden werden kann. Gleichwohl erarbeiten aktuell mehrere Bundesministerien eine neue Vorschlagsliste zum Abbau von Bürokratie.

 

Die Zahl der Vereine in Baden-Württemberg

ist in den vergangenen zehn Jahren

um 4.533 

auf 86.903 gestiegen.

Neue Mitstreitende gewinnen

Bei all den genannten Bemühungen macht eine deutliche Tendenz Mut: Entgegen aller Unkenrufe bleibt das klassische Ehrenamt in Vereinen, das die Gesellschaft bereits seit dem achtzehnten Jahrhundert prägt, eine ganz wichtige Säule in der Engagementlandschaft. Trotz Transformation und ansteigendem projektbezogenem Engagement. Die Zahl der Vereine in Baden-Württemberg ist in den vergangenen zehn Jahren um 4.533 auf 86.903 gestiegen. Vereine und Organisationen sind sich gleichwohl der existenziellen Herausforderung bewusst, neue Mitstreitende gewinnen zu müssen. Oder beispielsweise neue Modelle wie geteilte Ehrenämter anzubieten.

Wenn alle Kräfte im Landesnetzwerk mit unvermindertem Einsatz, Ideenreichtum und Flexibilität die Zukunft angehen, muss es uns um den Schatz Bürgerschaftliches Engagement nicht bange sein.

 

 

Beitrag aus ParitätInform 4/2023

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