Ein Jahr Ukraine-Krieg: Forderung nach Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik

Pressemitteilung - geschrieben am 17.02.2023 - 12:23
Kind sitzt auf Koffern auf einem Bahnsteig

Ein Jahr Ukraine-Krieg: Der Paritätische Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg fordert Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik

Reutlingen/Stuttgart 17.02.2023        Seit Beginn des Ukraine-Kriegs am 24. Februar 2022 hat Baden-Württemberg ca.150.000 ukrainische Geflüchtete aufgenommen. Die schnelle Aufnahme, die Möglichkeit, sich selbst Wohnraum zu suchen und der Anspruch auf Sozialleistungen haben die Integration von Anfang an sehr erleichtert. Der Paritätische Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg fordert, diese guten Erfahrungen künftig für alle Geflüchteten anzuwenden. Dazu sei eine Neuorientierung in der Flüchtlingspolitik erforderlich, die schnelle Hilfen bei Unterbringung, Begleitung und Integration für alle Schutzsuchenden ermöglicht. Dabei müssten Standards eingehalten werden, die eine menschenwürdige Flüchtlingshilfe gewährleisten.

Nathalie Wollmann, Referentin für Migration beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg

Wir begrüßen es sehr, dass ukrainischen Geflüchteten die Einreise und der Aufenthalt in unserem Land so erleichtert wurde. Schutzsuchende bekommen ohne Asylantrag  einen humanitären Aufenthaltstitel und damit unmittelbar Zugang zu Arbeit, Integrationskursen, Sozialleistungen und uneingeschränkter medizinischer Versorgung. Sie sind nicht verpflichtet, in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften zu leben, sondern können und dürfen auf private Unterbringungen zurückgreifen. Dies hat zu einer Entlastung der Unterbringungssituation und zur Aufnahme von vielen Menschen beigetragen und die Solidarität in der Gesellschaft gefördert. Der Umgang mit ukrainischen Geflüchteten hat uns gezeigt, dass eine humanitäre Flüchtlingshilfe möglich ist, wenn der politische Wille gegeben ist. Deshalb fordern wir eine Neuorientierung in der Flüchtlingspolitik, die allen Geflüchteten, die Schutz in unserem Land suchen, von Anfang an die gleichen Startchancen für eine nachhaltige Integration garantiert. Das bedeutet, das Asylbewerberleistungsgesetz muss abgeschafft werden und der Zugang zu den allgemeinen Sozialleistungen für alle Geflüchteten gleichermaßen gelten. Auch bei der Unterbringung muss auf Sammel- und Gemeinschaftsunterkünfte verzichtet und dezentral Wohnraum zur Verfügung stehen. Grundsätzlich dürfen die Herausforderungen in der Flüchtlingspolitik und fehlende finanzielle Mittel nicht dazu führen, dass Standards in der Flüchtlingshilfe abgesenkt und damit missachtet werden. Um die Solidarität in unserer Gesellschaft nicht zu gefährden, bedarf es der konsequenten Bekämpfung von Diskriminierungen auf allen Ebenen.

 

Galina Lerner, Vereinsvorsitzende des Bildungszentrums in Migrant*innenhand e.V. in Reutlingen

Unser Projekt, gefördert von Aktion Deutschland hilft, hat sehr vielen Kindern und Jugendlichen rechtzeitig geholfen, die Traumata der Flucht und die anschließende Zeit zu verarbeiten. Das alles war und ist nur wegen der intensiven Organisations- und Koordinationsarbeit der Projektmitarbeiterinnen möglich. So konnten eine verlässliche Struktur für die Kinder, Jugendlichen und ihre Familien aufbauen mit erstem Deutschunterricht, Freizeitangeboten und psychologischer Betreuung aufbauen. Wir unterstützen die Familien bei der Anmeldung der Kinder in der Schule und begleiten und beraten mehrere „ukrainische Klassen“. Weil unser Verein ein Verbund von mehreren bildungsorientierten migrantischen Selbstorganisationen ist, konnte das Projekt sehr breit umgesetzt werden. Unser Verbundmitglied – dialog e.V. –  bringt besonders die russischen und ukrainischen sprachlichen und kulturellen Kompetenzen ein. Die räumlichen Ressourcen vom BiM e.V. steuerten maßgeblich zur erfolgreichen Vernetzung in Reutlingen bei.“

 

Markus Brandstetter, 1. Vorstand der Drei Musketiere Reutlingen e.V.
„Wir waren bereits am 4. Invasionstag vor Ort. Wir sind eine relativ kleine Organisation und insofern war das für uns eine enorme Aufgabe dort Unterstützung zu leisten. Aber es war auch für uns alle in der Organisation eine große mentale Belastung diese Auswirkungen dieses Krieges direkt vor Ort zu empfinden. Das war nicht immer einfach. Ja, also das erste Mal sind wir in die Ukraine von Polen aus die Grenze überschritten. Das war eine Situation, wie wir sie trotz vieler Jahre Erfahrung auch aus dem Syrienkrieg so noch nicht erlebt hatten. Es waren unfassbar chaotische Zustände an den Grenzübergängen. Es waren abertausende Menschen, die dort Schlange an der Grenze von der Ukraine nach Polen standen. Das waren schlimme Zustände. Jeden Morgen, bevor wir in den Einsatz gehen, findet ein Einsatzbriefing statt, bei dem der Tag besprochen und die Aufgaben verteilt werden. Unsere Tage haben in der In der Regel sechzehn Stunden. Und trotzdem versuchen wir, uns abends noch zusammenzusetzen und den Tag Revue passieren zu lassen. Das ist ein guter Mechanismus, das Erlebte zu verarbeiten. Diesen Austausch setzen wir auch regelmäßig fort, wenn wir vom Einsatz wieder zuhause sind.“

 

Pressekontakte:

Bildungszentrum in Migrant*innenhand e.V., Galina Lerner, Geschäftsführung, Tel. 0179/14 15 225, E-Mail: galina.lerner@bim-rt.de

 

3 Musketiere Reutlingen e.V., Markus Brandstetter, 1. Vorstand und hauptamtlicher Geschäftsführer, Tel. 0178/2711861, E-Mail: markus@3musketiere.org

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