Gelebte Teilhabe in der Freizeit

Fachinformation - geschrieben am 14.03.2023 - 08:54
Menschen stehen mit den Füßen im Meer, eine Person sitzt im Strand-Buggy

Teilhabe an Freizeitaktivitäten darf kein Luxus sein. Sie muss etwas ganz Selbstverständliches sein, das allen Menschen offensteht. Aktivitäten im Sport, in der Freizeit und der Kultur besitzen einen enormen Lebenswert. Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) bietet für alle Menschen mit Behinderungen die Chance diese, Teilhabe einzufordern.

Die Lebenshilfe Tübingen e.V. wurde im Jahr 1961 als Elterninitiative gegründet und entwickelte ein rein ambulantes Angebotsprofil. Sie wurde da tätig, wo bestehende Angebote nicht ausreichend schienen oder nicht ausreichend inklusiv waren. Ein wichtiger Schwerpunkt sind in diesem Zusammenhang Bildungs- und Freizeitangebote für Menschen mit Behinderung. In der guten Verbindung von Selbsthilfe, Ehrenamt und Professionalität liegt die besondere Qualität dieser Arbeit begründet.

Gleichberechtigte Teilhabe bei Sport und Freizeit

Gemeinsam in einem Sportverein aktiv zu sein, ist der Wunsch vieler Menschen mit Behinderung. Die Lebenshilfe Tübingen setzt deshalb auf vielfältige Kooperationen mit Vereinen. So ist für alle etwas dabei, z. B. Schwimmkurse, eine Fußballmannschaft oder Kletterkurse. Alle Angebote sind dabei inklusiv und werden nicht über gesetzlich vorgeschriebene Leistungen ermöglicht, sondern über Spenden und Freiwilligkeitsleistungen des Kreises finanziert. Hier müssen noch nachhaltige (Finanzierungs-) Strukturen auf- und ausgebaut werden, um die Nutzung sportlicher Angebote für alle zu ermöglichen.

Aktivitäten in der Freizeit liefern einen wichtigen Beitrag für Partizipation und Emanzipation. Im Landkreis Tübingen werden die sogenannten Freizeitpädagogischen Maßnahmen über SGB IX Leistungen (Eingliederungshilfe) finanziert. Die neuen Leistungsvereinbarungen auf der Basis des Landesrahmenvertrags werden ein noch individuelleres Angebot für die Menschen mit Behinderung bieten.

Die Gruppen und Kurse der Lebenshilfe finden wöchentlich in einem inklusiven Setting statt. Menschen mit Behinderung sowie ehrenamtliche Begleitpersonen treffen sich zu den unterschiedlichen Angeboten – Kegeln, Kochen oder Singen stehen unter anderem auf dem Programm. An den Wochenenden gibt es größere Ausflüge, bei denen Menschen mit und ohne Behinderung als Teilnehmende zusammenkommen. Auf die aktive Mitwirkung von Menschen mit Behinderungen wird bei der Programgestaltung besonderer Wert gelegt. Ideen und Anregungen werden diskutiert und umgesetzt, um so allen Bedürfnissen gerecht zu werden.

Interview

Hannah, was machst Du in der Lebenshilfe?

Ich organisiere und leite ehrenamtlich eine inklusive Jugendgruppe in einem offenen Jugendtreff. Ich leite die Gruppe alleine und in Notfällen steht mir ein Mitarbeiter zur Seite.

Wie funktioniert das?

Ich lasse die Teilnehmenden mitbestimmen. Wir haben zusammen Ideen gesammelt. Aus diesen Ideen entwickle ich das Programm für die Treffs oder lasse mir auch mal was ganz Neues einfallen. Das letzte Mal haben wir zusammen Stockbrot gemacht. Da habe ich den Teig vorbereitet und dann haben wir alle zusammen Lagerfeuer gemacht. Wir waren auch mal Stocherkahnfahren auf dem Neckar oder in einer Diskothek.

Was läuft gut in der Gruppe?

Wir haben am Anfang eine Handy-Chatgruppe erstellt. Da schreibe ich am Wochenanfang rein, was als Programm ansteht. Über den Chat laufen auch die An- und Abmeldungen. Das klappt sehr gut. Die Gruppen an sich laufen sehr gechillt ab und wir haben viel Freude miteinander.

Warum machst Du ehrenamtliche Arbeit?

Weil es mir Spaß macht, ehrenamtlich mitzuwirken und ich gerne eine Gruppe leite. Ich organisiere einfach gerne. Mir als ein Mensch mit Behinderung gibt dieses Ehrenamt sehr viel Selbstvertrauen. Es zeigt, dass man uns Vertrauen geben kann, dass wir gegenseitig auf uns aufpassen.

 

Kunst, Kultur und Reisen

Kunst und Kultur ermöglichen den Austausch über den eigenen Ausdruck mit anderen Menschen. Das künstlerische Schaffen bedeutet Selbstbestimmung und Teilhabe. Dafür setzt sich die Lebenshilfe Tübingen ein. Neben Theaterprojekten wird künstlerisch in Kursen und Workshops aktiv gearbeitet. Die Künstler*innen mit und ohne Behinderung entwickeln dort ihre Potenziale, sprengen dabei schon mal Gewohntes und entwickeln so ihren künstlerischen Ausdruck. Es finden Ausstellungen statt und viele der Werke wurden mit Preisen ausgezeichnet.

Gemeinsam Reisen bietet die Möglichkeit für Menschen mit und ohne Behinderung, sich gegenseitig kennenzulernen und schafft Verbindung durch das Erlebte. Die Palette reicht von Städtetouren oder Wellnessreisen übers Wochenende bis zu den genauso beliebten die zweiwöchigen Reisen ans Meer oder in die Berge. Durch die Präsenz der Menschen mit Behinderung an unterschiedlichsten Urlaubsorten, wie z. B. im All- Inklusiv-Hotel oder in Jugendherbergen, wirken die Angebote in die Gesellschaft hinein, Begegnung von Menschen mit und ohne Behinderung findet statt und Kompetenzen und Bedürfnisse werden sichtbar.

Dr. Ralf Kümper

Geschäftsführer

Lebenshilfe Tübingen

 

Beitrag aus PARITÄTinform 4/2022

Wichtige Werkzeuge

Artikel merken